Energiepolitik-Experte Prof. Dr. Johan Lilliestam untersucht Wirksamkeit und politische Motivation
Viele nationale CO2-Steuern sind zu niedrig, um Emissionen wirksam zu senken, und dienen primär symbolischen und fiskalischen Zielen. Das zeigt eine aktuelle Studie von Energiepolitik-Forschern der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (mit Beteiligung von Prof. Dr. Johan Lilliestam, Inhaber des Lehrstuhls für Sustainability Transition Policy an der FAU WiSo), der Universität Potsdam und des Forschungsinstituts für Nachhaltigkeit (RIFS) am GFZ Helmholtz-Zentrum für Geoforschung Potsdam. Die Autoren regen an, einen kritischeren Blick auf die Ausgestaltung der CO2-Steuer zu werfen.
Kohlenstoffsteuern auf fossile Brennstoffe gelten oft als nützliches klimapolitisches Instrument, bislang haben viele solcher Steuern jedoch wenig dazu beigetragen, Emissionen substanziell zu senken. „Ob eine hohe CO2-Steuer große Effekte hat, ist nicht eindeutig, aber dass eine niedrige Steuer nur kleine oder gar keine Effekte hat, ist Konsens“ erklärt Prof. Dr. Johan Lilliestam, Inhaber des Lehrstuhls für Sustainability Transition Policy an der FAU WiSo. In 25 Ländern auf der Welt gibt es nationale CO2-Steuern, aber nur in sechs davon sind sie hoch genug, um effektiv sein zu können – etwa in Schweden oder in Deutschland. „In 19 Ländern war die Kohlenstoffsteuer bei ihrer Einführung so niedrig, dass sie nicht geeignet war, Emissionen zu reduzieren“, sagt Lilliestam. „Wir gehen davon aus, dass die Regierungen das wussten, und wollten herausfinden, warum sie sie dennoch eingeführt haben.“
Drei Gruppen identifiziert
Gemeinsam mit Forschern der Universität Potsdam und des RIFS hat Lilliestam recherchiert, mit welcher politischen Begründung niedrige CO2-Steuern eingeführt worden sind und wie sich jede der 19 Steuern über die Zeit entwickelt hat. Die Wissenschaftler haben dafür Gesetzesentwürfe und -begründungen ausgewertet, aber auch Sekundärquellen wissenschaftlicher Institutionen und internationaler Organisationen analysiert. Das Ergebnis: „Wir können im Wesentlichen drei Gruppen identifizieren“, sagt Lilliestam. „Zur ersten Gruppe zählen Länder, die eine niedrige CO2-Steuer eingeführt haben, um diese sukzessive zu erhöhen, etwa die Schweiz, Frankreich und Kanada. Damit wollte man politischen Widerständen aus dem Weg gehen, hatte aber eine Emissionssenkung als erklärtes Ziel.“ Die zweite Gruppe, dazu zählen Japan, Singapur und Kolumbien, hat die Steuer vor allem deshalb eingeführt, um andere Klima- und Umweltprogramme zu finanzieren.
Die weitaus größte Gruppe ist die dritte: 13 von 19 Ländern verfolgten mit der Einführung einer niedrigen CO2-Steuer nicht primär klimabezogene Ziele. Sie nutzten die Steuereinnahmen, um Mittel für spezifische, nicht klimabezogene Ausgaben zu generieren – zum Beispiel in Finnland zur Senkung der Einkommenssteuer oder in Island und Irland zur allgemeinen Steigerung der Staatseinnahmen. Argentinien zum Beispiel hat die CO2-Steuer auch deswegen eingeführt, um seine Bewerbung für eine OECD-Mitgliedschaft zu unterstützen, weil die Organisation eine solche Steuer empfiehlt. „Es gibt auch Länder wie Polen, deren Kohlenstoffsteuer so niedrig ist, dass sie weder einen Effekt auf die Emissionen hat noch nennenswerte Einnahmen bringt“, erklärt Johan Lilliestam. „Hier kommt man nicht umhin, den Regierungen reine Symbolpolitik zu unterstellen.“
Allerdings hat etwas mehr als die Hälfte der untersuchten Länder die CO2-Steuer im Laufe der Zeit deutlich erhöht und ihren Zweck zugleich stärker auf Emissionssenkung ausgerichtet. Dieser Prozess hat in den meisten Fällen jedoch sehr lange gedauert, oft über 10 Jahre.
Wissenschaft muss genauer hinschauen
Die Autoren waren im Zuge ihrer Recherche davon überrascht, wie offen einige Länder die Einführung einer CO2-Steuer mit fiskalischen Motiven begründet haben, und wie wenig die Wissenschaft die Wirksamkeit und die politischen Rechtfertigungen einer CO2-Steuer in der Praxis und nicht nur in theoretischen Modellen evaluiert hat. „Wir müssen uns vorwerfen lassen, hier nicht kritischer hingeschaut zu haben“, sagt Johan Lilliestam. Die Forscher betonen, dass die bloße Einführung einer solchen Steuer und die zunehmende Anzahl von CO2-Preisinstrumenten weltweit an sich keine Indikatoren für klimapolitische Fortschritte sind. Dr. Germán Bersalli, wissenschaftlicher Mitarbeiter am RIFS und Ko-Autor der Studie: „Klimapolitiken sollten nicht nach ihrem Etikett bewertet werden, sondern nach ihrer Ausgestaltung, ihrer Zielsetzung und ihrer tatsächlichen Wirkung auf die Transformation unserer Wirtschaftssysteme hin zu Nullemissionen.“
Weitere Informationen:
Prof. Dr. Johan Lilliestam
Lehrstuhl für Sustainability Transition Policy
johan.lilliestam@fau.de
